[Rezi] #11/14 - Ich gegen dich

Autor: Jenny Downham
Titel: Ich gegen dich
Originaltitel: You against me
Genre: Jugendbuch
Verlag: cbt (München)
Erschienen: 03/2012
Seiten: 384 S.
ISBN: 978-3-570-16138-8
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"Mikey konnte es nicht fassen."
(1. Satz)

Persönliche Zusammenfassung:
In Mikey McKenzie steigt Wut auf, als er erfahren muss, dass seine Schwester von einem anderen Jungen missbraucht wurde. Diese versteckt sich seit da an in der Wohnung, wagt sich nicht hinaus und zieht sich immer mehr zurück. Mikey sieht keinen anderen Ausweg seine Wut zu kompensieren und macht sich auf zu dem Täter um ihn zu verprügeln. Dort aber trifft er auf Ellie, die Schwester. Nach langem Überlgen tüfftelt er einen Plan aus über sie an Tom ranzukommen, doch hat er die Rechnung ohne seine Gefühle gemacht… 

Rezension/Meinung:
Jenny Downham konnte mich vor Jahren mit ihrem Roman „Bevor ich sterbe“ sehr rühren. Auch mit „Ich gegen dich“ konnte mich die Autorin wieder fesseln – wenn auch nicht ganz wie mit dem ersten Buch. 

In dieser Geschichte zerspringt nicht nur eine heile Welt in tausende von Scherben. 
Gleich die ersten Worte des Buches machen dem Leser deutlich, dass man einer Familie gegenüber steht, die es nicht leicht hat. Die Familie McKenzie scheint alles andere als viel Geld zu haben. Zudem trinkt die Mutter schon morgens einen Sherry nach dem anderen, sodass sie all ihre Pflichten als Erziehungsberechtigte vergisst und nun müssen sie auch noch damit klar kommen, dass Karyn vergewaltigt worden ist und aus diesem Grund ihre Schule abgebrochen hat. Alle Last scheint auf den Schultern Mikeys zu liegen, der als Einziger arbeitet und etwas Geld nach Hause bringt. Gleichzeitig muss er seine kleine Schwester pünktlich und regelmäßig zur Schule bringen, denn die Sozialarbeiterin wartet nur auf einen Fehltritt. Karyn dagegen setzt keinen Fuß mehr vor die Tür. 
Mikeys Wut ist unbeschreiblich, denn Tom, der Täter, scheint ungestraft davonzukommen. Es steht Aussage gegen Aussage – niemand will etwas gesehen haben. Blind vor Wut macht er sich auf zu dem Haus der reichen Familie und will Tom den Schmerz spüren lassen, den seine Schwester ertragen muss. Am Haus aber trifft er Ellie, Toms Schwester. 
Mit ihrer unschuldigen Art schafft sie es ihn runter zu bringen und ihm den Kopf zu verdrehen. Etwas scheint die beiden miteinander zu verbinden, doch stecken beide in einer verfahrenen Situation. Ellie behauptet sich nicht an die Tatnacht erinnern zu können und will ihren Bruder vertreten, Mikey will Tom natürlich hinter Gittern sehen. Dennoch können die beiden ihre Gefühle nicht voreinander verstecken und obwohl sie beide versuchen das beste für sich rauszuholen, kämpfen sie doch für verschiedene Lager. 
Dann aber steigen in Ellie Erinnerungen an die Nacht herauf, die die Unschuld ihres Bruders anzweifeln lassen. Soll sie ihre Aussage widerrufen? Ein innerer Kampf beginnt. Für was soll sie mehr kämpfen? Für eine heile Familie oder die Wahrheit und die Heilung einer anderen Familie? Und dann ist da ja auch noch die Liebe zu Mikey… 

„Ich gegen dich“ beschreibt den Kampf zwischen zwei Familien, bei denen so einiges schief läuft. Auf der einen Seite steht das Opfer mit ihrer Familie, die in einer Sozialsiedlung leben, eine trinkende Mutter haben und deren Familienorganisation nur selten gut ist. Ein Mädchen dass nichts hat und sich einem reichen Jungen an den Hals geworfen hat, der die Situation ausgenutzt hat. 
Andererseits blickt man auf eine reiche, wohl situierte Familie, eine scheinbar heile Welt in der man nicht glauben will, dass der Sohn einem Mädchen so etwas angetan hat. Selbst die eigene Schwester möchte die Wahrheit verdrängen, kann diesem Druck aber irgendwann nicht mehr aushalten. 

Sicherlich ist nachvollziehbar, dass die Protagonistin Ellie in einer großen Zwickmühle steckte. Einerseits will sie ihre Familie nicht enttäuschen, niemanden verletzen und einfach nur Ruhe, dennoch wird ihr auch schnell klar, dass sie nicht lügen kann. 
Das Buch fesselt den Leser und immer wieder möchte man in den Verlauf eingreifen und die ganze Situation auflösen. Gleichzeitig hat man das Gefühl eine so sehnsüchtige und zarte Liebe nicht zerstören zu wollen. 

Klares Hauptthema ist hier die Vergewaltigung eines Mädchens. Ein sehr bedrückendes und ernstes Thema. Jeder der sich dieser Situation selbst einmal gegenüber gesehen hat, kann all die Blickwinkel in dieser Geschichte nachvollziehen und nachempfinden. Genau dies macht die Geschichte meiner Meinung nach zu etwas anderem als die anderen zu diesem Thema. 
Denn hier erzählt kaum die Betroffene von ihren Gefühlen und Ängsten. Hier liegt das Augenmerk eher auf den Beteiligten drum herum. Klar ist, dass die betroffene Person eine Menge durchmachen muss und oft an diesem Schmerz und Druck zerbricht, aber sie ist damit selten alleine. Angehörige und Freunde müssen ebenfalls mit so einem Geschehen klarkommen und leiden mit. 
Dies hat die Autorin versucht zu vermitteln und schafft es gut. Gleichzeitig vergisst sie aber auch nicht die andere Seite zu beleuchten. Eine Familie die verzweifelt hofft, dass der geliebte Sohn keinen so großen Fehler gemacht hat, aber nach und nach einsehen muss, dass Hoffnungen manchmal zerstört werden. 

Von der Story selbst konnte ich mich kaum lösen und wartete eigentlich immer darauf, dass irgendeine emotionale Bombe platzen würde. Überraschenderweise sind die nur klein und lassen sich kaum fassen. 
Irgendwann spielt sich die doch so bedeutende Geschichte auch nur noch nebenbei ab und man gerät in den Strudel des Gefühlschaos zwischen Mikey und Ellie. Beide wissen genau, dass ihre Liebe verboten ist, da sie beide in Gegnerischen Lagern kämpfen. Mikey aber zeigt der jungen Ellie, eine andere Sicht auf die Dinge und durch ihn fasst sie Mut und verschwiegt die Wahrheit nicht weiter.
An vielen Stellen merkt man wie Familienbande zerreißen und sich Wege trennen. Aber auch wenn das Thema bedrückend ist, gibt es immer wieder kleine Funken Hoffnung, die Feuer entfachen, die zu etwas Großem werden und versuchen zu heilen. Denn auch in jedem schrecklichen Moment, steckt ein kleiner Hoffnungsschimmer, den Downham gut hervorheben kann und dem Ende der Geschichte etwas Besonderes gibt. 

Der Schreibstil ist schlicht und oftmals in einem flapsigen Ton geschrieben, der aber zu den Altersangaben der Protagonisten passt. Man kann den Worten flüssig folgen und spürt dennoch die Zerrissenheit der Hauptfiguren. 
Die Personen wurden gut herausgearbeitet und lesen sich angenehm. 
Leider war ich Anfangs von Ellie alles andere als begeistert. Wie sie beschrieben wurde, wirkte sie teilweise jünger als sie war und legte auch ein solches Verhalten an den Tag. Nachdem sie langsam auf die Gefühlsebene rutschte, legte sich dieses Gefühl aber. Alles in allem sind Situationen und Handlungsfiguren gut aufeinander abgestimmt. 
Das Ende ist meiner Meinung nach aber etwas zu „schön“ gehalten, denn was wirklich bzgl. der Vergewaltigung passiert wird nicht aufgeklärt. Dies wäre für mich konsequenter gewesen, denn irgendein Ergebnis oder eine Verurteilung sollte es gegeben haben, sodass Betroffen sehen können, dass eine Schuld nicht ungesühnt bleibt. 

Eine Geschichte mit ernstem Hintergrund und dem einfachen Wunsch nach Gerechtigkeit und der Hoffnung auf Liebe. Ein Buch das Mut macht, aufweckt und die Wahrheit nicht beschönigt oder versteckt. 
Für Leser die Betroffene kennen, selbst betroffen sind, oder die einer Geschichte folgen möchten, in der nicht nur ein Blickwinkel auf ein so ernstes Thema geworfen wird. 


Das Cover:
Ich denke das auf dem Bild Ellie und Mikey dargestellt worden sind. Viel zu beschreiben gibt es daher nicht. Wobei ich sagen muss, dass mir das Cover der englischen Ausgabe mehr zusagt, da es die Sehnsucht etwas mehr verdeutlicht.

Die Autorin:
Jenny Downham hat als Schauspielerin in einer freien Theatergruppe gearbeitet, bevor sie anfing zu schreiben. Sie lebt mit ihren beiden Söhnen in London.  

Weitere Bücher:

Quelle: Bilder und Vita von der Verlagshomepage.


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Kommentare

  1. Wirklich ganz fantastische Rezi! Trotzdem überlege ich immernoch, ob das Buch was für mich ist. Vielleicht sollte ich es einfach ausprobieren.

    LG
    Anja

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